Waldemar Kamer

Mises en scène d'Opéra



Texte auf Deutsch

zu den Opern-Inszenierungen --------

Orfeo ed Euridice


- Der vollständige Text des Regiekonzepts
- Link zu einer Kritik im Magazin Opernwelt (hier clicken)

Cendrillon


- Links zu Kritiken in deutschen Tageszeitungen :
- Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) (hier clicken)
“An den Mond, Form ist alles: Massenets originale Cendrillon in Chemnitz”
- Freie Presse (hier clicken)
“Zeigt her Eure Füsschen !, Eine schöne Farbe in der Oper Chemnitz : Cendrillon”
- Morgenpost (hier clicken)
“Aschenbrödel ist einfach bezaubernd”
- Leipziger Volkszeitung (hier clicken)
“Schweben auf den Wolken seltenen Musiktheaters-Glücks”

Marianne


Link zur Coverstory des Magazins Opernwelt (hier clicken)

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Orfeo ed Euridice

Der vollständige Text des Regiekonzeptes *

Bronzino Simonetta

Agnolo Bronzino : Porträt von Cosimo I de Medici als Orpheus
Man sieht dem zweiten Herzog von Florenz und dem ersten Grossherzog von Toskana auf diesem Porträt nicht an, dass er Sienna erobert hat und so zu einem der reichsten und mächtigsten Männer seiner Zeit wurde. Auf dem Porträt zeigt er sich als Künstler und treuer Ehemann: nur in ein leichtes Tuch gehüllt spielt er auf einem "Orpheon" (dem heutigen Cello verwandt) für Cerberus. Offensichtlich mit Talent, denn der Höllenhund wirkt schon sehr besänftigt! (©: Philadelphia Museum of Art)

Piero di Cosimo : Porträt von Simonetta Vespucci als Eurydike
Simonetta Vespucci galt als weitaus schönste Frau ihrer Zeit: Sie war die Geliebte von Giuliano de’ Medici und gleichzeitig auch die Muse seines Bruders Lorenzo (Il Magnifico), der ihr ganze Gedichtbände widmete. Sie stand Modell für die berühmte "Geburt der Venus" von Botticelli sowie für viele andere Venus-Darstellungen. Dieses Porträt entstand zehn Jahre nach Simonettas sehr frühem und unerwarteten Tod - der hier durch die Schlange symbolisiert wird. Hinter ihr weitet sich eine sommerliche Landschaft mit grünen Bäumen aus, während sie sich in eine kahle, durch schwarze Wolken bedeckte Unterwelt begibt - wie Eurydike... (©: Musée Condé, Chantilly)
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Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan **


Am Anfang aller Dinge, sagt Platon, gab es die Erde. Dann wurden die vierbeinigen Menschen wie Erdschollen getrennt und suchen seitdem ihre andere Hälfte. Und diese Suche, dieses Verlan­gen nach dem Ganzen taufte er "Liebe" und baute seine ganze Philosophie darauf auf. Auch Orpheus war ein Suchender. Er fuhr nicht nur mit den Argonauten in das Land der Skythen, er reiste auch allein nach Ägypten, wo er in die geheimen TodesRiten eingeweiht wurde. Bei seiner Rückkehr nach Thrakien verband er die verschie­denen Lehren, denen er auf seiner Pilgerfahrt begegnet war, zum ersten Versuch, verschiedene Kulturen in Frieden zu vereinen. Die erste synkretistische Religion entstand.

Da das Leben nach dem Tod in allen damaligen Konfessionen eine grosse Rolle spielte, wurde es auch der Angelpunkt dieses neuen Glaubens : der Orphismus erfand vor zweitausend Jahren die Unter­welt als Seelenreich. In nächtli­chen Riten, die bald durch die Eleusi­schen Mysterien übernommen wurden, sprach die Stimme des Orpheus zu den Eingeweih­ten. Doch nach sechs Jahrhunder­ten ers­chien den klassisch geschulten Griechen die Lehre des wandern­den Magiers wenig glaubhaft. Sie erfanden seine Unterweltsfahrt - als Projektion für ihre eigene Seelenwande­rung nach dem Tode. Die moderne Vernunft fragte auch nach der Motiva­tion dieser Reise und holte "eine Nymphe" herbei, die später Eurydike getauft wurde. Unser heutiger Orpheusmythos entstand.

 Von den vier griechischen Helden, die heil aus der Unterwelt zurückgekehrt sind, ist er der einzige, der aus Liebe diese Reise in den Tod unternommen hat und auch der einzige, der nicht dank List oder eigener Kraft, sondern wegen der Empfindungen, die sein Gesang auslöste, wieder hinaufgelangte. Denn Orpheus hatte eine unglaubliche Aus­strahlung: bei seinem Herannahen sprangen die Fische aus dem Wasser, neigten die Baumkronen sich herab, legten blutrünstige Raubtiere sich sanft zu seinen Füssen und wurde alles Wilde im Menschen besänftigt. Sogar die Steine wurden erweicht. So erklärt sich, dass Orpheus als Erfinder der Harmo­nie gilt...

Kein griechischer Mythos ist so geheimnisvoll und so mit Symbolen beladen wie der orphische und doch muss man ihn erst zerlegen, um zu verstehen, warum er immer wieder aufge­grif­fen wurde. Für die Griechen vereinte Orpheus das Apollinische und das Dionysi­sche. Er galt als Angelpunkt der pythagoreischen Weltord­nung. Die Römer identifizierten sich mit ihm bei der Kolonisierung Afrikas. Die ersten Kreuzigungs-Darstel­lungen in den römischen Katakom­ben nagelten nicht Christus (seine Abbildung war verboten) sondern Orpheus ans Kreuz: denn in allen Traditionen gilt er als Fackel­träger, bringt er das "Licht". Doch diese religiöse Bot­schaft ging im Laufe der Jahrhunderte verloren, so dass im frühen Mittelalter "Sir Orfeo" zum Vorbild des Trouba­dours verkam, der die vornehmen Damen be­glückte.

Erst seit den Humanisten der Renaissance, die "moralisierende" Neu-Übersetzungen von Ovids Metamorphosen verfassten, ist die Figur sehr viel näher an uns herangerückt : Orpheus steht nicht für ein in weiter Ferne angesiedelten "melancholischen Hirten", sondern als Idealbild des Fürsten - also eines vorbild­li­chen Menschen. (Die abgebilde­ten Porträts von Cosimo di Medici als Orpheus und Simonetta Vespucci als Eurydike sind in diesem Sinne exemplarisch.)

Die ersten Opern-Komponisten sahen in Orpheus vor allem die Lösung eines nie geklärten dramaturgi­schen Problems: wie soll man rechtferti­gen, dass ein Mann auf der Theater-Bühne nicht spricht sondern singt? So wurde "der thrakische Sänger" in den ersten hundert­fünfzig Jahren des Bestehens der Oper zweihun­dert Mal als Held des Librettos auserkoren. Gerade weil Orpheus schon auf diese Weise zum Symbol der Musik und der Oper an sich geworden war, wurde Orfeo ed Euridice sofort als Manifest einer Opern-Reform ver­standen. Die Einfachheit und Geradlinigkeit der Handlung, sowie der mytholo­gisch-mythische und nicht historisch-höfische Ansatz brachen total mit dem, was die Oper bis dahin war: "ein Spektakel in dem alles Glück oder Unglück der Personen nur darin bestand, dass um sie herum getanzt wird" (1). Mit Gluck und Calzabigi kam die "Rückkehr zur Natur". So änderte sich nicht nur die Musik und die Opernform, sondern auch die Deutung der orphischen Gestalt.

Monteverdis Orfeo endet mit dem "Triumph der Musik", indem Orpheus mit seinem Vater Apollo in den Himmel aufsteigt (wo er Eurydike "nur in den Sternen sehen wird"). Glucks Orfeo ed Euridice endet dagegen mit dem "Triumph der Liebe", indem Amor die beiden Liebenden vereint - ein grundlegender Unterschied! Nicht nur die Liebe steht im Mittelpunkt, sondern auch die Schwierig­keiten des Liebeswegs. Gluck und Calzabigi haben sogar ein paar zusätzliche Hindernisse erfunden, so wie das in der Mythologie nicht auftretende Schweigeverbot (das auch Pamina zwanzig Jahre später zur Verzweiflung bringen wird). Sie verwan­delten den ehemali­gen Priester, Hirten, Sänger und Ideal-Fürsten in einen unglück­lichen Liebenden, in einen Mann, einen ­Menschen. Aus der hehren Nymphe Eurydike schufen sie eine Frau, die sehr bald einen eigenen Mythos behauptete. Das neunzehn­te Jahrhundert, das für verklärte Jungfrau­en schwärmte, erhob Eurydike zu einer Kultfigur wie Mélisan­de.

Die Oper beginnt mit einer Trauer-Szene. Orpheus weiss nicht mehr weiter. Er ist verloren so wie wir uns alle verlieren können: "Auf der Mitte unseres Lebens­weges kam ich in einen dunklen Wald, weil der gerade Weg verloren war" (2). So wie Dante, der mit diesen Worten seine lange Unter­weltsfahrt einleitet, kommen wir alle an einen Punkt, wo der "gerade Weg" nicht weiter führt und wir eine "innere Reise" antreten müssen. Erst durch den ungeheuren Schmerz beim Tode Eury­dikes kann Orpheus in sein Inneres blicken und sich dabei auch bewusst werden, wie wenig er sie eigentlich als Frau erkannt hat (die mythologi­sche Umset­zung dafür ist ihre unangeta­stete Jungfräu­lich­keit). Der Bewusstseinsprozess fängt an: So wie bei Dante, der an entschei­denden Mo­menten der Divina Commedia in Ohnmacht fällt, so wie Odysseus, der immer wieder im wörtli­chen Sinne stranden muss, so muss auch Orpheus in seinem sonnenbe­strahl­tes Selbst­bewusstsein erschüttert werden, um zu seiner Mondseite vordrin­gen zu können. Er bricht zusammen und verflucht die Götter.

Genau in diesem Moment der grössten Verzweiflung erscheint eine in der Mytholo­gie nicht vorkommende Figur: Amor. Seine Rolle wird oft zu der eines beflügelten Bogenschützens verniedlicht. Doch wer ist Amor, dieses "Wesen zwischen zwei Welten"? Eine Mischung aus Liebesbotschafter, Conferencier und Seelenbegleiter. Er zieht die Fäden hinter der Bühne, ist der Katalysator der Liebe. Wie der Seelenführer Hermes weiht er Orpheus in die Reiseroute ein und übergibt ihm die Leier zum Schutz gegen die Ungeheuer der Unterwelt. Für uns ist dies eine der zentralen Szenen der Oper: die Liebe verleiht dem Menschen Kraft und Kunst für die Seelenreise. Amor hilft jetzt als Begleiter dem Sohn des Sonnen­gottes, Orpheus, in die Dunkelheit hinabzusteigen und das Wasser zu überque­ren - das Element das Seele und Gefühle symbolisiert.

Am anderen Ufer erwarten ihn die finsteren Furien, denn Hürden gehören zum Er­kennt­nisweg. Dante muss einen Panther, einen Löwen und eine hungri­ge Wölfin überwinden, die die Wollust, den Stolz und den Geiz symbolisie­ren. Seine Hinder­nisse sind von christlich-moralischer Art. Die Furien oder Erinnyen dagegen, die sich Orpheus in den Weg stellen, sind viel älter und archaischer. In den ersten Seiten der griechischen Mythologie wird Uranos (durch seinen Sohn) entmannt. Aus den Bluttropfen die dabei auf die (Mutter) Erde fallen entspringen Alekto, Tisphone und Megaira die seitdem die Vatermörder verfolgen. Doch stehen die drei Schwe­stern nur für Rache und Blutschuld? Alle Furien sind weiblich - entgegen der Opern­traditi­on, die nur männliche Höllenchöre kannte. Sie versper­ren den Weg zu Eurydike. Sie verkörpern also nicht nur die ungebän­digten, "furiosen" Leide­n­schaf­ten sondern auch - als Symbol für Kastrations­ängste - die Angstvision von der starken Frau, also alle Ängste des Orpheus vor seiner Begegnung mit dem Weiblichen.

Diese Episode ist in den gängigen Interpretatio­nen meist unterbewertet worden, dabei wurde sie gerade - mit den monumen­ta­len "No" des Höllen­chors - musikalisch am meisten ausgearbei­tet. Ausserdem bildet sie das exakte Zentrum der Oper, die in einer perfekten Symmetrie angelegt ist. Hier liegt vielleicht auch die zentrale Aussage. Orpheus singt wie ein Schamane. Wie ein Magier findet er über einen der fünf Sinne - das Gehör - Einlass in diese versteinerten Wesen. Das Ohr steht ja auch für die Erinnerung. Er durchbricht die "Taubheit" der "erstorbenen Seelen", um das in uns Schlum­mernde zu erreichen. Gibt es ein schöneres Symbol für die Macht der Musik, die Kraft der Kunst?

So gelangt Orpheus - und wir mit ihm - in die "elysischen Gefilde". Dort, am Ende des göttlichen Prüfungsweges, weilt Eurydike. Doch der Rückweg führt, so wie das Libretto es angibt, durch labyrinthi­sche Felsvorsprünge, die das Labyrinth der Gefühle sym­boli­sieren, vor dem Amor so ausdrücklich gewarnt hat. Die griechi­schen Heroen scheinen den "kleinen menschlichen Schwächen" weniger gewachsen zu sein als den göttlichen Prüfungen. So wie Herkules, scheitert Orpheus nicht wegen mangelnder Kraft und List sondern wegen seiner Unfähigkeit im Umgang mit einer Frau. Und erst wenn er sich dessen bewusst wird, erst wenn er auf alle seine Macht und Anzie­hung verzichtet und sich sogar verstümmeln will wie ein Pianist, der seine Hand abhackt, erst dann kann Amor ihm Eurydike zu­rückge­ben. Denn nun erst können die beiden Liebenden sich auf derselben Ebene wieder­fin­den. Am Schluss triumphiert Amor als der einzig unbezwingbare Eros mit dem wieder­ver­einten Paar.

Unsere Interpretation mag überraschen, denn traditionell wird Eurydike als die Schuldige dargestellt, die als klagende Frau den Ernst der Situation nicht wahrnimmt und so das Unglück herbei­führt.

Eurydike führt in der Oper ein "Schattendasein", weil wir sie nur durch die Augen des Orpheus sehen. Für ihn (und für uns, da wir ja als Zuschauer mit ihm diese Reise unternehmen) ist Eurydike das Ziel, das Symbol für die Umfassendheit der Seele und für die Wiederbe­gegnung zwischen Mann und Frau. Orpheus muss erst den Wanderstab zur Hand nehmen, erst die Welt und die Unterwelt (also seine eige­ne Schatten und Ängste) erkennen, bevor er Eurydike wirklich lieben kann - so wie in allen grossen Stations-, Initiations- und Erkenntnis-Dramen : Odysseus verlässt Troja als arrogan­ter Sieger. Erst nach einem Jahrzehnt hoffnungsloser Irrfahrten und langen Aufenthal­ten, sogar Familiengründungen bei Kalypso, Kirke und Nausikaa, hat er sich so weit von seiner kriegerischen Identität entfernt, dass er auf gleicher Ebene wie seine verlassene Frau Penelope, nämlich als namenloser Schiffbrüchiger auf sein Menschsein reduziert, wieder zu ihr finden kann. Die äussere Heimkehr steht als Symbol für die innere Heimkehr. So muss auch Dante erst die sieben Kreise der Hölle durchschreiten und an der Grenze des Purgato­riums durch eine Frau völlig in einen Fluss eingetaucht werden, bevor er in das Paradies zugelassen wird, wo Beatrice ihn erwartet. So muss Faust, der sogar seine Seele verkauft hat, nach Gretchens Tod eine innere Reise antreten, die ihn bis zur griechi­schen Helena führt, bevor "das Ewig-Weibliche" ihn aufnimmt.

Der Beispiele gibt es Viele. Unsere grossen Mythen werden unter der Oberfläche in den heutigen "Road Movies" fortgesetzt. Ob nun poetisch, wie in Tarkovskis Nostalgia und Angelopoulos' Der Blick des Odysseus, oder mit Western-Allüren wie in Thelma and Louise, immer kommt man anders an als man aufgebrochen ist. Immer führt die Reise gleichzei­tig zum Gegenüber sowie in das eigene Innere.

Und das beste Beispiel sind wir selbst: So wie Orpheus und so wie Eurydike müssen auch wir uns auf eine innere Reise begeben auf der Suche nach unserer "Schwester-Seele" (so wie man im Französischen das ewiggesuchte Alter Ego benennt). Das Aufbrechen und Loslösen ist bekanntlich am Schwierigsten. Rilke schreibt: "Wir sind verdorben vom leichten Genuss so wie alle Dilettanten und stehen im Geruch der Meisterschaft. Wie aber, wenn wir unsere Erfolge verachteten, wie wenn wir ganz von vorne begännen, die Arbeit der Liebe zu lernen, die immer für uns getan worden ist? Wie, wenn wir hingingen und Anfänger würden." Die Arbeit der Liebe ist - wie Platon es beschreibt - ein langer Erkenntnis-Weg...

Waldemar Kamer

(*) Der Text wurde auf Deutsch geschrieben, aber beim Übersetzen für das holländische und französische Programmheft so stark gekürzt, dass manche Passagen fast unverständlich wurden)
(**) letzter Satz von Goethes Faust II
(1) So Grimm und Diderot : "un spectacle où tout le bonheur ou tout
   le malheur des personnages consiste à voir danser autour d'eux"
(2) Divina Commedia, erster Satz : "Nel mezzo del cammin di nostra vita /
   mi ritrovai per ua selva oscura, / ché la diritta via era smaritta."
(3) in "Les fleurs du Mal"


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Zusatz für das Team

Nach nun beinahe zwei Jahren haben Cordelia und ich - so wie, ich hoffe es, das ganze Team - alle eine innere Reise getätigt. Doch die richtige Reise wird erst am Abend der Vorstellung anfangen, denn die Aussage der Oper ist weder allein in der Partitur noch nur in unserer Interpretation vorgegeben. Sie kann sich erst ent­falten, wenn wir alle zusammen sind. Denn nur wenn die Energien der Bühne und des Publikums sich vereinen, kann im Theater die "Blume" aufblühen, die der No-Autor Zeami beschreibt.

In dem Rahmen einer Aufführung wird dann auch die dramatur­gische Dichte, die hier zu Papier gebracht schwer verständlich wirken könnte, sich in Musik und Handlung auflösen. Denn das ist das Wunderbare an der Oper: sie benutzt verschiedene Sprachen, die alle über ihre eigenen Grenzen hinaus geführt werden. Der Text wird durch die Musik transzendiert. Die Handlung wird durch die Musik verklärt, im gleichen Masse wie die Musik durch die Bühne neue Dimensionen gewinnt. Die Oper beschert uns einer der absolu­ten Verwirklichungen von wahrer Poesie. Baudelaire definiert dieses Moment als eine "correspondance" : "Comme de longs échos qui de loin se confon­dent / Les parfums, les couleurs et les sons se répon­dent" (3)‚. Und in dieser "Stimmung" (die Kandinsky in Über das Geistige in der Kunst sein "höchstes Ziel" nennt), in diesem Augenblick, wo sich hinter dem Erkennbaren das Unerkenn­bare offenbart, liegen Möglichkeiten und Sinn eines Opernabends.

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